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Berlin Throwdown Recap – Beobachtungen aus mentaler Perspektive

Anfang Juli war ich auf dem Berlin Throwdown (BTD) unterwegs und habe, ähnlich zum FIBO Showdown, wieder einige interessante Dinge beobachtet, die ich mit euch teilen möchte. Der BTD war ein reiner Team-Wettkampf in den Divisionen Scaled, Intermediate und Rx.
Dabei habe ich meinen Fokus etwas anders gelegt als beim FIBO Showdown und möchte dieses Mal weniger auf verbesserungswürdiges eingehen, sondern mehr allgemeine Phänomene der Sportpsychologie erklären und auch das ein oder andere positive Beispiel aufzeigen.

Darum wird es gehen: Atmung und Konzentration, Leistung unter Druck, die Rolle von Emotionen.

Bevor ich starte, ist mir eine Sache noch sehr wichtig: Ich kann weder Gedanken lesen, noch in die Köpfe der Athleten und Coaches gucken. Das heißt: Ich weiß nichts über Absprachen im Vorhinein, taktisches Vorgehen etc der jeweiligen Sportler und Coaches. Ich habe im Studium zwar gelernt, Rückschlüsse aus Verhaltensweisen zu ziehen und welche Wahrnehmungsfehler man bei Beobachtungen machen kann und wie man diese Fehler vermeidet. Trotzdem ist das Folgende immer noch eine subjektive Schilderung durch meine “Psychologie-Brille”.

 

Atmung und Konzentration bzw. Regeneration:

Eines der ersten Workouts bestand aus 20 min max cal Ski Erg für Partner A, während Partner B verschiedene kleinere Workouts in einem Zeitfenster absolvieren musste. Zwischen den Zeitfenstern konnte die Person, die gerade nicht am Ski Erg war, pausieren. In einer dieser Zwischenpausen, kurz vor dem Start in das nächste Workout, fiel mir ein Athlet an der Startlinie auf, der mit einer starken Körperhaltung bzw. -spannung und geschlossenen Augen ganz regelmäßig und bedacht atmete: Durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Dies war deswegen so auffällig, da alle anderen Athleten an der Startlinie „einfach so“, ohne erkennbares Muster atmeten, in der Gegend herum schauten und wenig fokussiert wirkten.

Warum ist die Atmung so wichtig?

Atmung ist eng mit unserem Herzschlag verknüpft. Dies nennt sich „respiratorische Sinusarrythmie“ und ist auch ziemlich sinnvoll, denn wir atmen ja den Sauerstoff ein, um unser Blut damit zu versorgen. Genauer bedeutet das, unsere Atmung kann unsere Herzfrequenz beeinflussen. Würdest du zum Beispiel jetzt anfangen ganz schnell und hechelnd zu atmen, steigt deine Herzfrequenz. Wählst du eher eine bewusste, langsame Atmung, führt dies zur Verringerung deiner Herzfrequenz. Das bedeutet, Atmung ist ein sehr cooles Tool, um in kurzen Pausen schneller regenerieren zu können und Konzentration aufrecht zu erhalten bzw. neu zu erlangen.

Spannenderweise hatte ich die Möglichkeit, den Athleten nach dem Wettkampf zu fragen, ob diese Atemregulation (so wäre der Fachbegriff in der Sportpsychologie) bewusst gewählt war: Und tatsächlich, der Athlet hatte sich im Vorhinein informiert und diese bewusste Atmung und die Körperhaltung gezielt in seine Vorstart-Routine mit eingebaut.

 

Leistung unter Druck:

Es gab sowohl ein Workout mit Double als auch eins mit Triple (!) Unders. Vielen bereiteten gerade die Triple Unders (überraschenderweise aber auch bei einigen versierten Athleten die Double Unders) sichtbare Schwierigkeiten und die Wiederholungen mussten entweder gesingled werden, oder aber es brauchte mehrere Anläufe, bis eine Wiederholung geschafft war. Nach dem Workout wandte sich ein Athlet fragend und nachdenklich an seine „Fanbase“ am Rand und sagte schulterzuckend: „Im Warmup ging es voll gut, aber im Workout kam ich gar nicht klar.“

Woher kommt dieser Unterschied zwischen Warmup und Wettkampf?

Mir ist klar, dass so etwas auch an der Vorermüdung liegen kann. Auch haben sich mehrere Athleten über die Beschaffenheit des Bodens fürs Seilspringen beschwert (meine Meinung dazu ist aber: Auf so etwas kann und sollte man vorbereitet sein!).
Aber wenn man Vorermüdung und Bodenbeschaffenheit mal ausklammert, wie kommt es dann, dass Dinge sich unter Druck so stark verändern? Dass Skills, die man sonst mit Leichtigkeit abrufen kann, plötzlich so schwer fallen und unpräzise werden?
In der (Sport-)Psychologie nennt man dieses Phänomen „choking under pressure“ also „unter Druck ersticken/zusammenbrechen“.

Wie entsteht denn überhaupt Druck?

Druck entsteht dann, wenn ich der Situation selbst oder dem Ausgang einer Situation eine bestimmte Bedeutung zuschreibe. Wenn ich zum Beispiel öffentliche Erwartungen (die der Zuschauer, die meiner Freunde, die der Trainerin, …) nicht enttäuschen will. Oder wenn ich Angst vor Misserfolg oder negativen Konsequenzen habe (z. B. Abspringen der Sponsoren). Demnach ist Druck sehr subjektiv. Was als Drucksituation eingeschätzt wird, kann also von Athlet zu Athlet vollkommen verschieden sein.

Doch wie führt denn der Druck jetzt genau zu einer Leistungsverschlechterung?

Dazu gibt es in der psychologischen Forschung bisher zwei Erklärungsansätze:

Erklärung Nr. 1 besagt, dass durch die Aspekte, die einem Druck bereiten, eine Ablenkung stattfindet. Das heißt, die Gehirnkapazität, die ich eigentlich für die Ausübung der Movements benötige, wird durch die äußeren Aspekte (wie z.B. Zuschauer, Selbstzweifel) von der Bewegungsausführung abgezogen. Dies findet nicht unbedingt bewusst statt. Es kommt also zu einer Leistungsverschlechterung, weil das Gehirn die ganzen Umgebungsbedingungen nicht ausblenden kann und die Verarbeitung oder das Nachdenken über mögliche Konsequenzen zusätzlichen Aufwand benötigt. Die Aufmerksamkeit wieder zurück auf die Bewegung zu lenken, kann man lernen. Dies nennt sich in der Sportpsychologie Aufmerksamkeitsregulation.

Erklärung Nr. 2 führt die Leistungseinbußen darauf zurück, dass durch die Unsicherheit, die durch Zuschauer etc. entsteht, Athleten mehr Aufmerksamkeit (als üblich) auf sich selbst und die Bewegungsausführung richten. Auch das ist nicht unbedingt bewusst. Eigentlich sind Double Unders, wenn sie einmal gelernt sind, eine hochautomatisierte Bewegung. Das heißt, dass man über die Bewegungsausführung an sich nicht mehr nachdenken muss. Wenn ich jetzt jedoch versuche, bewusst in die Bewegungsausführung einzugreifen, wird die Bewegung unheimlich fehleranfällig.

Welcher Erklärungsansatz zu welchem Athleten “passt”, also die Leistungsverschlechterung individuell erklären kann, ist demnach sehr unterschiedlich und muss individuell geprüft werden.

 

Die Rolle von Emotionen: Umgang mit Fehlern und Misserfolg

Das mit Abstand spannendste Workout war für mich Heavy unbroken DT + 1 Rep Max Squatclean.

Partner A hatte 4 Minuten Zeit, um DT (12 Deadlifts, 9 Hang Power Cleans, 6 Shoulder to Overhead) ohne absetzen mit dem schwerstmöglichen Gewicht zu absolvieren. Nach den 4 Minuten sollte Partner B seinen 1RM im Squatclean finden. Beide Gewichte (DT + 1RM Squat Clean) wurden dann als Wertung addiert. Das Interessante war nun, dass viele Athleten sich bei DT absolut überschätzt haben und die Barbell verfrüht absetzen mussten, sodass sie am Ende gar keine gültige Wertung mit in den Team-Score einbringen konnten. Auf dem Wettkampffloor waren innerhalb der Teams hierzu die unterschiedlichsten Reaktionen zu beobachten: Von sich gegenseitig weiter motivieren, über „alles halb so schlimm“, Verständnis, bis hin zu offensichtlichem Ärger und Groll aufeinander.
Auf letzteres möchte ich gerne genauer eingehen.

Situation: Partner A schafft keinen gültigen Versuch bei DT. Partner B ist deswegen offensichtlich ziemlich angefressen, würdigt Partner A keines Blickes mehr und zieht die 1RM Squatclean Versuche für sich durch, ohne auch nur irgendwie mit Partner A in Kontakt zu treten (kein Blickkontakt, kein Austausch über das Gewicht, etc.). Partner A ist sichtlich geknickt und enttäuscht über seinen Misserfolg (Körpersprache). Man merkt also, dass sehr viel Emotionen im Spiel sind.

Auf die Wichtigkeit von Kommunikation im Team und Teamaspekte bin ich bereits im Artikel zum FIBO Showdown eingegangen, das möchte ich hier also ausklammern. Stattdessen soll der Fokus einzig und alleine auf dem Thema „Emotionen“ liegen, denn so ging es weiter:

Der Frust und die Enttäuschung über die Null-Wertung von Partner A hat bei Partner B anscheinend zu so viel Energie und „jetzt erstrecht“ geführt, dass dieser bei den Squat Cleans völlig über sich hinaus gewachsen ist und einen Personal Record nach dem anderen gebrochen hat. Das heißt, diese vermeintlich negativen Emotionen durch den Misserfolg des Teampartners haben bei diesem Athleten zu einer krassen Leistungssteigerung geführt.

Was mir eine wichtige Botschaft ist: Die Emotionen, die wir in der Gesellschaft als eher negativ einordnen – wie Ärger, Angst, Frustration, Aggression usw. müssen nicht zwangsläufig auch negativ für die Leistung sein. Vielmehr geht es darum, wie sich die Emotion für dich selber ganz persönlich auswirkt. Und hier gilt es jetzt, dies für dich selbst herauszufinden und nutzbar zu machen: Lässt du dich von Frustration und Ärger eher in eine Abwärtsspirale ziehen, die deine Leistung negativ beeinflusst? Dann lerne, dort gezielt wieder heraus zu kommen! Oder führen Emotionen wie Frust und Ärger dazu, dass du ungeahnte Kräfte mobilisieren kannst? Dann lerne, diese Emotionen dann, wenn du sie brauchst, gezielt in dir hervor zu rufen.

Diese Fähigkeit, Emotionen bewusst in die eine oder andere Richtung steuern zu können, nennt sich in der Sportpsychologie „Emotionsregulation“.

Ihr seht: Es gibt super viele Möglichkeiten, mental an der eigenen Leistung zu arbeiten bzw. auch andere, psychologische Methoden mit in das Training und die Wettkampfvorbereitung einzubeziehen. Bei Fragen oder Feeback melde dich gerne bei mir.

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